Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer von Sprung ins Leben,
das Jahr 2018 neigt sich dem Ende zu. Es war ein ideenreiches und dynamisches Jahr für Sprung ins Leben – Salto hacia la vida e.V. Wir konnten beim alljährlichen Schützlingstreffen in Quito mit dabei sein und gleichzeitig die Chefreporterin Claudia Kirschner von BILD der Frau miterleben lassen, wie es den mittlerweile schon 46 Schützlingen mit ihren Prothesen geht und von welchen Erlebnissen sie berichten.
Die gemeinsame Zeit in Ecuador haben wir außerdem für eine Reise nach Guaranda genutzt, um zu sehen, wo unser Schützling Joel Manobanda mit seiner Familie aufgewachsen ist und wie das Leben in dieser ländlichen Region aussieht. Philippa lernte Joel auf ihrer Reise 2011 kennen. Damals tollte er noch ohne Prothese mit seinen quirligen sieben Jahren auf dem Spielplatz der Stiftung Hermano Miguel herum. Heute ist er ein junger Mann. Die Erlebnisse bei Joel und seiner Familie sind für uns eine Art Weihnachtsgeschichte, denn die Begegnung erzählt von Großzügigkeit und offenen Türen, aber auch von Entbehrungen und Armut.
Unterwegs sind wir mit Patricia Peñaherrera, der Koordinatorin unseres Schützlingsprogramms, und Maria Eugenia, der Präsidentin der Stiftung Hermano Miguel, bei der die Prothesen für unsere Schützlinge angefertigt werden sowie die Rehabilitation stattfindet. Beide haben ihre Ehemänner mitgebracht, sodass sich unsere Tour fast wie ein Familienausflug anfühlt. Ebenfalls mit von der Partie: Claudia Kirschner und die Fotografin Ulrike Schacht. Die Fahrt von Quito ist beschwerlich und dauert fast 5 Stunden. Kurz vor Guaranda tanken wir noch einmal. Vor uns liegt ein Pass von über 4000 Metern Höhe und man nie weiß, ob es auf der anderen Seite Benzin gibt.
Am vereinbarten Treffpunkt am zentralen Platz der Stadt finden wir Joels Mutter nicht. Dafür steigt ein jüngerer Mann mit ein, der uns für ein kleines Trinkgeld den Weg zur Familie zeigt. Andernorts würden wir uns ärgern, aber in Ecuador nehmen auch wir solche Situationen mit Gelassenheit.
Dank unseres Begleiters kommen wir schließlich ans Ziel. Joels Mutter ist nicht hier. Sie wartet noch immer in der Stadt auf uns – an einem anderen Platz, als wir auf der handgezeichneten Karte ausgemacht hatten, wie sich später herausstellt. Kommunikation ist eben auch hier eine Herausforderung – die Indigene Bevölkerung kann zu großen Teilen kein oder nur sehr schlechtes Spanisch und wir sprechen kein Quechua. Auch dies ist Teil der ecuadorianischen Realität.
Die Hütte der Familie Manobanda zeugt von grosser Armut: der Boden ist pure Erde, es gibt ein einziges Bett und gekocht wird über offenem Feuer. Der Rauch verteilt sich im ganzen Raum und wir Stadtkinder müssen erstmal husten. Die Hütte hat keine Fenster und eine einzige Glühbirne erhellt den Raum, in dem die Familie lebt. Vor dem Haus posieren zwei Lamas, drei Schweine, genauso viele Kühe und einige Hühner für Ulrikes Fotos. Für unsere leibliches Wohl wird mit viel Großzügigkeit gesorgt. Der Vater zaubert eine riesige Schüssel heiße Kartoffeln und den in Guaranda typischen Käse unter einem Handtuch hervor. „Das sind unsere eigenen Kartoffeln“, erklärt er stolz. Die Kartoffeln sind noch so heiß, dass Dampf aufsteigt. Wir werden von allen Seiten ermuntert, uns zu bedienen. Von der Familie selbst greift niemand zu.
Wie wichtig dieser Besuch für die Familie ist, zeigt sich auch daran, dass noch viele weitere Verwandte gekommen sind: die Großeltern haben den halbstündigen Fußmarsch auf sich genommen sowie mehrere Cousins des Vaters. Joels kleine Schwester versteht den ganzen Trubel nicht und versteckt sich in Patricias Armen vor den Massen und dem Blitz der Kamera.
Joel zeigt uns seine Schweine und die Kühe und erklärt: „Das ist mein Schwein und das ist das Schwein meiner Schwester. Vor den Kühen habe ich Angst. Am liebsten mag ich die Hühner.“
Zum Abschied bekommen alle noch einen Zuckerrohrschnaps. Ein kleiner Schluck geht an die Pachamama – die Mutter Erde – damit die Kartoffelernte im nächsten Jahr reichlich wird. Die Stimmung lockert sich und es wird viel gelacht. Irgendwann zieht Nebel auf und es wird Zeit für uns zu gehen. Die Familie bedankt sich für die Ehre unseres Besuches. Wir verabschieden uns ebenfalls in großer Dankbarkeit, denn sie haben ihre Türen geöffnet und uns für einen Tag in ihr Leben gelassen.
Unsere Reise ist mit diesem Besuch um beeindruckende und erfüllende Begegnungen reicher geworden. Auch Ihnen wünschen wir für die Advents- und Weihnachtszeit Begegnungen voller Zuversicht, Großzügigkeit und Hoffnung.
In diesem Sinne grüßen wir Sie herzlich,
Philippa Mund Isabel Kleitsch
Vorsitzende Sprung ins Leben – Salto hacia la vida e.V.